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Legalitätspflicht, Überwachung und Delegation: (Haftungs-)Risiken fehlender Compliance-Strukturen

Das OLG Nürnberg hat Anfang des Jahres ein Urteil gefällt (OLG Nürnberg, Endurteil vom 30.03.2022, 12 U 1520/19), das abermals die Bedeutung von Compliance-Strukturen auch in kleineren Unternehmen verdeutlicht. In der Sache wies das Gericht die Berufung eines Geschäftsführers gegen dessen erstinstanzliche Verurteilung zur Schadensersatzzahlung von ca. EUR 860.000 (LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 5.4.2019 – 2 HK O 3068/19) weitgehend zurück. Dieser war als Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, einem Unternehmen mit nur 13 Mitarbeitern in seiner Verwaltung, persönlich in Anspruch genommen worden.

Das Gericht bestätigte die Ausführungen des Ausgangsgerichts, dass der Beklagte es versäumt habe, einerseits effektive Compliance-Strukturen in dem Unternehmen zu schaffen und andererseits gegen offensichtliche Verstöße eines Mitarbeiters einzuschreiten. Aus diesen Gründen sei der Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.

Das OLG greift die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils auf und entfaltet schulbuchartig aus der geschuldeten Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers die Pflicht zur Errichtung von Organisationsstrukturen, die die Rechtmäßigkeit und Effizienz des Handelns der Gesellschaft gewährleisten. Aus der Legalitätspflicht folgert das Gericht die Pflicht des Geschäftsführers zur Errichtung eines Compliance-Management-Systems (CMS), das die Begehung von Rechtsverstößen im Unternehmen verhindere. Den Geschäftsführer treffe eine Überwachungspflicht und damit eine Kontrollpflicht, so das Gericht. Diese dürfe nicht erst dann einsetzen, wenn Missstände entdeckt werden und ihr könne nicht mit nur gelegentlichen Überprüfungen genüge getan werden. Das genaue Maß an Überwachung bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigende Faktoren seien insbesondere die Gefahrgeneigtheit der Arbeit und das Gewicht der zu beachtenden Vorschriften. Gesteigerte Überwachungspflichten ergäben sich aus Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit. Als äußere Grenze der zu treffenden Aufsichtsmaßnahmen sieht das Gericht die objektive Zumutbarkeit an.

Das Gericht befasst sich in seiner Entscheidung zudem mit Fragen der Delegierbarkeit dieser Überwachungspflicht. Der Geschäftsführer könne seine Überwachungspflicht durch Übertragung auf ihm unmittelbar unterstellte Mitarbeiter auf eine Pflicht zur „Überwachung der Überwacher“ („Meta-Überwachung“, so das Gericht) reduzieren. Eine sog. Oberaufsicht, wie auch die Organisations- und Systemverantwortung, verbleibe aber als unübertragbare Kernpflicht.

Nicht nur die überzeugende Herleitung der Pflicht zur Errichtung von Compliance Strukturen in Unternehmen ist interessant. Das Urteil zeigt, dass Compliance - entgegen durchaus noch verbreiteter Meinungen - nicht nur Thema großer Unternehmen und Konzerne ist. Zum anderen verdeutlicht das Urteil die wirtschaftliche Bedeutung von effektiven CMS: Effektive CMS begrenzen das (persönliche) Haftungsrisiko der Geschäftsführung und sind ein wirtschaftlicher und juristischer Faktor bei Unternehmenstransaktionen.

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